Der Krux mit die Sprache
Thema: | Schwierigkeiten und Kuriositäten der deutschen Sprache |
Umfang: | 3342 Zeichen |
Geeignet für: | Referenzartikel |
Bereits erschienen in: | Die Rheinpfalz, 2017 |
Vom Wirrwarr des Deutschen aus der Sicht Mark Twains bis zum Rindfleischetikettierungsüberwachungsgesetz. Eine Betrachtung.
Wer sich auf Reisen begibt, sieht sich immer auch mit fremden Sprachen konfrontiert. So erging es jedenfalls Mark Twain, der sich bereits 1880 über „Die schreckliche deutsche Sprache“ mokierte: „Es giebt gewiß keine andere Sprache auf der Welt, die so systemlos ist, so schlüpfrig und aalglatt, um sie zu fassen. Man treibt darin umher wie in einem brandenden Meer, bald hierhin, bald dorthin, in der elendesten Hilflosigkeit, und wenn man einmal glaubt, eine Regel gefunden zu haben, welche festen Grund bietet, um einen Augenblick in dem allgemeinen Wirrwarr und Tumult der zehn Redeteile auszuruhen, so vernimmt man in der Grammatik: `Der Schüler gebe acht auf folgende Ausnahmen.`“
Um den Deutschen und der Welt das Sprechen zu erleichtern, schlug er vor, den Dativ abzuschaffen und das Verb an den Satzanfang zu holen, das zu weit „von der Operationsbasis des Lesers entfernt ist.“ Hätte er gewusst, dass stattdessen auf den Genitiv verzichtet wird, hätte er sich vermutlich nicht minder gefreut: Immerhin nur noch drei Kasus statt vier, die es zu erlernen gilt. Nun sprechen mittlerweile auch Deutsche mangels Lektüre oft kein Deutsch mehr, sondern eine Mischung aus sprachlichen Weiterentwicklungen und einer Wortwahl, die jedes Sprachgefühl entbehrt: „Die Nation befindet sich in Schockstarre“ als Deutschland das EM-Halbfinale 2016 gegen Frankreich verliert und die ARD-Korrespondentin in Haltern am See wird nach dem Germanwings-Absturz von der Nachrichtensprecherin gefragt, wie denn die „Stimmung vor Ort“ sei.
Gleichzeitig brillieren Germersheimer Studentinnen mit sprachlichen Höchstleistungen: Meine russische Mitbewohnerin bringt das Wort „Rindfleischetikettierungsüberwachungsgesetz“ völlig fehlerfrei über die Lippen. Doch wie soll sie sich merken, wo der Unterschied zwischen einem „Baumstamm“ und einem „Stammbaum“ liegt? Dass alle, die hier leben, ausreichend Deutsch sprechen können müssen, steht außer Frage. Verständnis für Lernende darf man trotzdem haben:
Woher soll jemand aus Osteuropa wissen, dass sich Deutschen nicht logisch erschließt, dass „Ich Arzt“ „Ich bin Arzt“ bedeuten muss und dass man zwar „eine Million“ aber nicht „ein Hundert“ schreiben kann? Doch auch für Deutsche gibt es viel zu lernen:
Hätten Sie gewusst, dass es sich bei „Risiko“, „Soldat“ und Alarm“ um italienische Lehnwörter handelt? Dass das Deutsche maßgeblich von Romani, der Sprache der Sinti und Roma geprägt ist (z.B. bei „Kaff“ für „Dorf“ und „Null Bock“ für „keine Lust (bokh“)? Interessant ist auch, dass im Deutschen positive Vergrößerungsformen von Substantiven mit negativen „Vorwörtern“ ausgedrückt werden: „Mordshunger“ oder „Bombenerfolg“ werden Sprachlerner sicherlich irritieren. Wer noch eine Urlaubslektüre sucht und sich für Sprache interessiert, dem sei Mark Twains „Die schreckliche deutsche Sprache“ wärmstens empfohlen. Wer anderen Deutsch beibringt, wird sich nach dem Lesen dieses Buches über jeden richtigen Satz freuen und an Fehlern nicht länger verzweifeln. Und wer selbst über die ein oder andere amüsante Sprachanekdote schmunzeln musste, gleich ob auf Reisen oder im Alltag in der Südpfalz, der kann seine Geschichte gern dieser Zeitung zukommen lassen.
Autorin/Urheberin: Anna Kiefer
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