Was können Übersetzungs-Apps leisten?
Thema: | Übersetzer-Apps |
Umfang: | 4276 Zeichen |
Geeignet für: | Wochenzeitung, Zeitschrift, Website, Broschüre |
Bereits erschienen in: | neu |
Übersetzungs-Apps können so einiges. Sie können korrekt formulierte Sätze aus dem Englischen ins Deutsche übertragen und umgekehrt. Sie können Geflüchteten in Deutschland helfen, sich bei Behördengängen notdürftig zu verständigen. Sie können deutschen Touristen im Ausland helfen, ein Bier in der Landessprache zu bestellen. Und sie können Übersetzer vor einer Sehnenscheidenentzündung bewahren, indem sie immer wiederkehrende Sätze in Bedienungsanleitungen vorübersetzen, die man sonst per Copy-Paste 50 Mal von Hand einfügen müsste. Übersetzungs-Apps können sogar bedingt für Unterhaltung sorgen, indem sie banale Alltagssätze in Schweinkram verwandeln, Aussagen ins Gegenteil verkehren oder völlig absurde Bilder erzeugen: Probieren Sie es aus!
Mit der Unterhaltung verhält es sich dabei ähnlich wie mit dem Fernsehprogramm: Oberflächlicher Klamauk ist jederzeit zu haben. Sobald es jedoch etwas mehr in die Tiefe gehen soll, schaut man sich besser gleich nach sinnvollen Alternativen um. Mit Übersetzungs-Apps ist es nämlich ein bisschen wie mit den Anhängern diverser Rechtspopulisten: Parolen, die man ihnen eingegeben hat, kommen auch wieder heraus – in mehr oder weniger passendem Kontext. Selbst denken, logische Schlussfolgerungen ziehen, Gedankengänge konsequent zu Ende führen und dabei das große Ganze im Blick behalten ist eben nicht ihr Ding. Ganz zu schweigen von Einfühlungsvermögen, Humor oder Ironie: Damit können sie einfach nichts anfangen.
Überall dort, wo man kreative Lösungen oder Sprachgefühl braucht, ist man mit menschlichen Übersetzern besser bedient. Menschliche Übersetzer behandeln ihre Kunden nicht wie Idioten – im Gegensatz zu künstlicher Intelligenz („Ich habe Sie leider nicht verstanden. Kennen Sie schon unsere Internetseite?“). Menschliche Übersetzer haben ein feines Gespür für Sprache und für zwischenmenschliche Beziehungen und können bei Reden, Literaturübersetzungen, Poesie oder Songtexten Worte finden, die vom Original weit entfernt sind und dennoch das passende Gefühl oder das gewünschte Bild erzeugen.
Menschliche Übersetzer können im Gegensatz zu künstlicher Intelligenz einordnen, ob ein doppelt, dreifach oder vierfach verneinter Satz eine positive oder negative Aussage darstellt. Menschliche Übersetzer haben gelernt, Partikeln wie „wohl kaum“ oder „nicht gerade“ passend zum Kontext zu interpretieren. Menschliche Übersetzer wissen, dass man bestimmte Verben nicht mit bestimmten Substantiven kombinieren kann (in ein Unternehmen investieren geht; Wäsche in die Waschmaschine investieren geht nicht). Menschliche Übersetzer finden Lösungen für Probleme, die es in der Zielsprache gar nicht gibt (für das schöne Wort Angehörige gibt es weder im Polnischen noch im Englischen eine adäquate Entsprechung).
Menschliche Übersetzer erkennen, wenn eine Anweisung missverständlich ist und können sie so umformulieren, dass sie eindeutig ist. Menschliche Übersetzer können Rücksprache mit dem Kunden halten und bei der Übersetzung Stil und Sprachverständnis der Zielgruppe berücksichtigen, damit der Text auch angenommen wird (Patienten sagen nicht „Ich hatte eine Cholezystektomie“ sondern „Mir wurde die Gallenblase rausgenommen“). Menschliche Übersetzer produzieren Texte, die nicht nur theoretisch richtig sind, sondern sich auch in der Praxis richtig anhören – Websites und Produktbeschreibungen, die „total falsch“ klingen, werden auch von Suchmaschinen gerne mal als unseriös eingestuft. Dafür muss man ihnen natürlich ein bisschen Zeit lassen – Kreativität und Inspiration vertragen sich nicht gut mit allzu kurzfristigen Deadlines. Menschliche Übersetzer sind im Gegensatz zur App in der Lage, Fehler im Ausgangstext zu erkennen und zu klären, was der Autor tatsächlich gemeint hat. Menschliche Übersetzer gehen mit sensiblen Daten respektvoll um und laden die firmeninterne Kommunikation ihrer Kunden nicht ins Internet hoch.
Egal, ob Mensch oder App: Entscheiden Sie sorgfältig, wem Sie Ihren Text anvertrauen. Überlegen Sie in aller Ruhe, was und wen Sie mit dem Text erreichen wollen. Seien Sie vorsichtig mit prophetischen Werbeversprechen („In wenigen Jahren wird …“). Und wenn Sie in der Mittagspause ein wenig Unterhaltung brauchen, schauen Sie mal nach, was Übersetzungs-Apps unter Kadaver-Workshops verstehen (Flyer, unten).
Autorin/Urheberin: Anna Kiefer
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