„Sie sind wichtige Botschafter. Die Welt braucht Sie.“

Thema: Dolmetschen
Umfang: 3545 Zeichen
Geeignet für: Referenzartikel
Bereits erschienen in: Die Rheinpfalz, 2015

Was wären die Staats- und Regierungschefs dieser Welt ohne ihre Dolmetscher? Einer davon ist Dr. Witold Skowroński, einer der angesehensten polnischen Konferenzdolmetscher. Seine Wichtigkeit ist unbenommen, sein Name jedoch weitgehend unbekannt. Umso berühmter sind seine Klienten: Der Mann im Hintergrund hat unter anderem Papst Johannes Paul II, den Dalai-Lama, polnische Präsidenten wie Lech Wałęsa und Lech Kaczyński sowie ihre amerikanischen Amtskollegen George Bush, George W. Bush und Bill Clinton gedolmetscht. Nun steht er in einem kleinen Hörsaal im Neubau des FTSK Germersheim und erzählt von seiner Arbeit.

Rund 60 Studierende sowie Dozenten des Fachbereichs Polnisch hören aufmerksam zu. Es ist so still wie sonst nur selten während eines Vortrages, und dennoch ist die Atmosphäre angenehm und entspannt. Manchmal unterstreicht Skowroński seine Ausführungen mit Gesten – ob bewusst oder unwillkürlich ist nicht ersichtlich. „Wenn Sie es nicht schaffen, auch mal acht Stunden auf die nächste Mahlzeit zu warten – vergessen Sie den Job. Sie dolmetschen auch während des Essens für Ihren Präsidenten, sind immer an seiner Seite,“ erzählt Skowroński.

Dass es auch auf höchster Ebene immer wieder zu Pannen kommen kann, lässt er dabei nicht aus: „Es kommt vor, dass Dolmetscher sozusagen ‚verloren gehen‘, wenn sie beispielsweise bei einem Staatsbesuch in einem anderen Auto untergebracht werden als der Präsident.“ Einmal habe er im Weißen Haus in Washington keine Dolmetscherkabine vorgefunden, sondern nur einen Tisch mit Kopfhörern; im Buckingham Palace musste er spontan ein Zimmer teilen, weil keines mehr frei war. Von solchen unvorhergesehenen Ereignissen lässt sich der aus Poznań (Polen) stammende Freiberufler jedoch nicht aus der Ruhe bringen – man merkt ihm an, dass ihm sein Beruf Spaß macht.

Seinen Vortrag hält er im Rahmen eines wissenschaftlichen Austauschprogramms zwischen den Universitäten: Der Arbeitsbereich Polnisch lud ihn als ERASMUS-Gastdozenten ein. Skowroński hat zwar nicht in Germersheim, sondern in Poznań studiert, fühlt sich in Germersheim jedoch „immer sehr zuhause, auch weil ich hier alte Freunde wiedersehe.“ Neunzig kurzweilige Minuten lang spricht er über Sicherheitsvorkehrungen und Dresscodes (Kleiderordnungen), zeigt Fotos von zahlreichen Reisen und internationalen Konferenzen und gibt wertvolle Tipps für zukünftige Dolmetscher. Ob es auch einmal eine Dolmetschsituation gegeben habe, in der er gar nicht mehr weitergewusst habe, möchte eine Studentin wissen. „Natürlich“, antwortet Skowroński und erzählt dazu eine Anekdote, die er mit dem ehemaligen polnischen Präsidenten Lech Wałęsa (1990 – 1995) erlebt hat:

„Bei einem Staatsbesuch in Japan erklärte Wałęsa in einer Rede, dass Polen zwar ein kommunistisches Land, die Leute im Herzen aber alles andere als kommunistisch seien. Dabei verglich er Polen mit einem Radieschen, das außen rot und innen weiß ist. Solche Radieschen sind in Japan jedoch völlig unbekannt; die Metapher funktionierte in diesem Kontext nicht. Also musste ich mir innerhalb von Sekundenbruchteilen etwas einfallen lassen, das ebenfalls außen rot, innen weiß und in dem Kulturkreis bekannt ist. Ich entschied mich für Shrimps, und die Japaner applaudierten bei dem Vergleich.“ Trotz solch genialer Einfälle tritt Skowroński souverän, vor allem aber bescheiden auf und wirkt damit auf Anhieb sympathisch. Bevor er sich verabschiedet, macht er den Studierenden Mut: „Sie sind wichtige Botschafter, Sprachmittler. Die Welt braucht Sie.“

Autorin/Urheberrecht: Anna Kiefer

 

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„Man muss hinter die Wörter schauen.“

Thema: Beruf Übersetzerin
Umfang: 9944 Zeichen
Geeignet für: Ressort Beruf, Fachzeitschrift, Website, Newsletter
Bisher veröffentlicht in: neu

Interview: Von Zielgruppen, Kriegen, Anatomie und Automaten: Zwei Übersetzerinnen erzählen von ihrem Arbeitsalltag.

Was bedeutet für euch Übersetzen?
Claudia Seebothe: Für mich ist das die Übertragung schriftlicher Texte von einer Sprache in eine andere. Im Gegensatz zum Dolmetschen geht es beim Übersetzen um Texte. Hier ist es wichtig, sich die Zielgruppe vor Augen zu führen: Welche Wirkung hatte der Text bei der Originalzielgruppe? Wie muss man ihn für die neue Zielgruppe in die andere Sprache übertragen, damit er wirkt?
Andrea Erdmann: Genau, für eine gute Übersetzung spielt der anzusprechende Adressatenkreis von Anfang an eine Rolle – Auftraggebern ist das oft nicht klar. Und was für mich auch untrennbar zum Übersetzen gehört, ist Kreativität. Zwar ist hier eine andere Kreativität als beim Dolmetschen gefragt, aber Sprache, egal ob gesprochen oder in fixierter Form, hat immer viele Facetten. Und je nach Textart sind auch Zeit und Muße unabdingbar mit einer (guten) Übersetzung verknüpft.

Das heißt, Übersetzer brauchen mehr als nur ein Wörterbuch und Fremdsprachenkenntnisse …?
Claudia Seebothe: Man kann nicht einfach ein Wort nach dem anderen übertragen, sondern muss hinter die Wörter schauen. Wörter haben eine Bedeutung: Es ist wichtig, das richtige Wort für den jeweiligen Kontext herauszufiltern. Fremdsprachenkenntnisse und Wörterbücher sind eine gute Basis, reichen aber nicht aus. Man muss wissen, wie man recherchiert. Übersetzer müssen in der Lage sein, Quellen zu bewerten. Auch Kulturkenntnisse gehören zwingend dazu. Das wird oft unterschätzt – etwa, wenn es um aktuelle politische Diskussionen oder Entwicklungen geht.
Andrea Erdmann: Das ist auch ein Grund, warum maschinelle Übersetzungen oft unzureichend oder auch einfach nicht flüssig zu lesen sind. Man braucht dann mehrere Anläufe, um wirklich den Sinn zu erfassen. Vieles lässt sich nicht 1:1 übertragen, da muss man auch schon mal länger überlegen oder recherchieren. Manchmal muss man mehrere Varianten austesten. Und ohne gute Allgemeinbildung geht natürlich gar nichts.
Claudia Seebothe: Bei Marketingtexten muss man spielen, ausprobieren: Wie wirkt das? Bei anderen Themen gibt es sehr sensible Wörter, die in einem Land selbstverständlich verwendet werden können, in anderen Ländern hingegen ganz andere Assoziationen wecken.

Habt ihr ein Beispiel dafür?
Claudia Seebothe: La Grande Guerre bedeutet wörtlich übersetzt Der Große Krieg. Als Deutsche geht man automatisch davon aus, dass es sich dabei um den Zweiten Weltkrieg handelt. Tatsächlich ist damit aber der Erste Weltkrieg gemeint, der im französischen kollektiven Gedächtnis viel stärker verankert ist, weil viele große Schlachten in Frankreich stattgefunden haben und es hohe Verluste gab, zum Beispiel in Verdun. Das muss man als Übersetzerin wissen, damit man hier nicht in eine falsche Richtung geht.
Andrea Erdmann: Zur Stilblüten-Hitliste gehören Automodell-Bezeichnungen wie zum Beispiel e-tron (Audis Elektroauto). Wenn ein Franzose das ausspricht, klingt es genauso wie das französische Wort für Kot beziehungsweise Kothaufen (étron). Und Uno (Fiat Uno) bezeichnet im Finnischen einen Trottel. Auch Toyotas MR2 kam in Frankreich nicht so gut an: MR2 wird dort je nach individueller Aussprache mit merde (Scheiße) oder merdeux (beschissen beziehungsweise Rotznase) assoziiert. Mittlerweile heißt dieses Modell in Frankreich nur noch MR.

Was war euer schwierigster Text?
Andrea Erdmann: Das war eine Übersetzung aus dem Bereich Medizingeschichte, in der es um anatomische Entdeckungen aus dem 17. Jahrhundert ging. Der Autor hatte sowohl die lateinische Originalquelle in seinen Aufsatz eingebaut als auch die gleiche Passage auf Französisch – allerdings in dem Französisch, das man im 17. Jahrhundert sprach. Zwei Details in jener französischen Passage waren mir auch nach mehrmaligem Lesen, Einarbeitung in das Thema und Sichtung anderer zeitgenössischer Quellen nicht wirklich klar. Eine Rückfrage beim Verlag beziehungsweise beim Autor ergab schließlich, dass dieser sich bei der Aufbereitung der Textpassagen auf Experten für diese alten Sprachen verlassen und sich nicht detailliert mit der Quelle auseinandergesetzt hatte. Es bedurfte einiger E-Mails, bis die stimmige Übersetzung der alten französischen Sätze ins Deutsche stand.
Claudia Seebothe: Bei mir war es die Übersetzung von Werbebroschüren für Treppen. Neben den Marketingformulierungen gab es darin auf einer Seite immer ein Bild zur Statik der Treppe. Dieses Bild war mit Fachausdrücken aus dem Bereich Statik beschriftet – immer nur ein Begriff, ohne Zusammenhang. Ich habe beim Kunden angerufen und mir die Begriffe erklären lassen. Die Recherche für die Begriffe in der Zielsprache war dann sehr umfangreich, weil auf den ersten Blick nicht ersichtlich war, ob doch eher dieser oder jener Terminus passt. Das hat die Bearbeitungszeit natürlich extrem verlängert.

Was war euer lustigstes Erlebnis als Übersetzerin?
Claudia Seebothe: Ich muss bei kreativen Texten oft schmunzeln. Gerade hatte ich einen Text in amerikanischem Englisch, der für unser deutsches Empfinden wenig „handfest“ war. In jedem zweiten Satz wurde betont, wie „great“ das Unternehmen ist. Das wirkt auf mich manchmal etwas zu enthusiastisch. Das funktioniert im Deutschen weniger, hier wollen die Kunden Fakten und Argumente.
Andrea Erdmann: Ein Privatkunde brachte mal zwei französischsprachige Arztberichte sowie Kopien seiner Ausweisdokumente zur Übersetzung. Dass er eine Übersetzung benötigte, drückte er so aus: „Sie brauchen das nur noch ins Deutsche umzuschreiben!“ Mit einem Lächeln wies ich ihn darauf hin, dass ein Übersetzungsprozess in der Regel mit „nur noch umschreiben“ nicht ganz realistisch beschrieben ist, und schlug ihm dann vor, die Dokumente zunächst einzuscannen, um die Zeilenzahl und so einen ungefähren Preis ermitteln zu können. Ich legte also das erste Dokument in den Scanner, der dann zu rattern begann, was mein Kunde interessiert verfolgte. „Aah, so wird das heutzutage gemacht!“ meinte er dann. Ganz offenbar dachte er, mein Scanner sei eine Art Übersetzungsautomat.

Dolmetscht ihr auch?
Claudia Seebothe: Nein. Als ich noch angestellt war, habe ich Verhandlungen bei geschäftlichen Treffen gedolmetscht. Dabei habe ich für mich festgestellt, dass mir das nicht genug Freiraum lässt. Beim Dolmetschen muss man das gesprochene Wort übertragen und hat gar keine Zeit, groß über Formulierungen und ihre Wirkung nachzudenken. Das mag ich am Übersetzen, dass man hier Zeit hat, die beste Wirkung auszuprobieren, kreativ zu werden.
Andrea Erdmann: Ja, aber nur beim Standesamt, bei der Polizei und bei Patientengesprächen. Leider wird Letzteres in der Regel so schlecht vergütet, dass ich das mit meinen anderen Aufträgen auffangen muss. Deswegen kann ich hier nur sehr begrenzt Aufträge annehmen, obwohl mir diese Aufgabe liegt und es eine willkommene Ergänzung zur reinen Bildschirmarbeit ist.

Welche Erfahrungen habt ihr mit Post-Editing?
Andrea Erdmann: Gar keine. Bei den Anfragen, die ich bisher hatte, war sehr schnell ersichtlich, dass es für mich nicht wirtschaftlich ist, den Auftrag anzunehmen.
Claudia Seebothe: Sehr unterschiedliche! Ich hatte schon Texte, die maschinell vorübersetzt worden waren, bei denen ich kaum Änderungen vornehmen musste. Bei einigen Textsorten hatte ich das wirklich nicht erwartet. Gleichzeitig hatte ich aber auch Texte, bei denen es nicht funktioniert hat.

Hast du ein Beispiel dafür?
Claudia Seebothe: Einmal hatte ich eine Umfrage zum Thema Altern, bei der ich extrem viel nacharbeiten musste. Das lag daran, dass das Programm, mit dem die Umfrage erstellt wurde, vor allem mit Texten aus dem Marketingbereich „gefüttert“ worden war. In der Umfrage ging es aber eher um subjektive Empfindungen, Haltungen und persönliche Eindrücke. Die Maschine übersetzte den Begriff key concern mit „größte Herausforderung“. Das traf aber hier im konkreten Satz nicht das, was gemeint war. Ich habe es so umformuliert: „Was sind Ihre größten Ängste und Sorgen?“
Auch schön war der maschinell übersetzte Satz aus einer Produktbeschreibung: „Biegen Sie das Maul Ihres Kindes auf“.

Was empfehlt ihr Auftraggebern, die einen guten Übersetzer suchen?
Claudia Seebothe: Falls sie noch niemanden an der Hand haben und einen guten Übersetzer suchen, würde ich ihnen die Datenbank des Bundesverbandes der Übersetzer und Dolmetscher (BDÜ) empfehlen. Die Übersetzer, die dort Mitglied sind, haben eine Ausbildung oder ein Studium als Übersetzer absolviert und sind damit fachlich qualifiziert. Außerdem würde ich darauf achten, ob der Übersetzer auch Korrekturlesen anbietet oder nach dem Vier-Augen-Prinzip arbeitet.
Andrea Erdmann: Ich finde die Mitgliedschaft in einem Berufsverband ebenfalls sehr sinnvoll, zumal die Bezeichnung Übersetzer nicht geschützt ist. Außerdem ist es in jeder Hinsicht von Nutzen, wenn Übersetzer sich fortbilden, im Austausch mit Fachkollegen stehen und Projekte auch im Team übernehmen können. Und zu guter Letzt würde ich immer kleinere Büros vorziehen, sodass man einen direkten Ansprechpartner beziehungsweise idealerweise unmittelbaren Kontakt zum Übersetzer hat. So kommen wichtige Informationen ohne Umwege an. Und wie schon erwähnt ist es sehr von Vorteil, dem Übersetzer bereits bei der Anfrage Angaben zur Zielgruppe machen zu können, denn sie ist oft ein wichtiger Baustein für eine gute Übersetzung.

Autorin/Urheberrecht: Anna Kiefer

 

Claudia Seebothe übersetzt seit 2 Jahren Marketingtexte aus dem Französischen und Englischen ins Deutsche.
Andrea Erdmann übersetzt seit 22 Jahren aus dem Französischen ins Deutsche. Ihr Schwerpunkt liegt in den Bereichen Medizin, Vertragsrecht und Hohlglasindustrie.
Anna Kiefer übersetzt vor allem medizinische Texte aus dem Englischen und Polnischen ins Deutsche. Außerdem schreibt sie Beiträge für Zeitungen und Fachzeitschriften, aber auch für Websites, Newsletter und Broschüren. Weitere Beispiele und Texte: https://sprache-medizin.de/aus-meiner-feder/

 

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„Man kann selbstverständlich und auch gut vom Übersetzen leben.“

Thema: Sprachwissenschaft, Sprachenindustrie, Translationstechnologie
Umfang: 6956 Zeichen
Geeignet für: Referenzartikel
Bisher erschienen in: Die Rheinpfalz, 2015

Interview: Professor Christoph Rösener verbindet Sprachen und Computer, hat eine eigene Übersetzungsfirma und jahrelang mit Firmen wie Siemens, Daimler, VW oder DATEV zusammengearbeitet. Nun möchte er mit Sprach- und Translationstechnologie die Universität Germersheim zukunftsfähig machen. Anna Kiefer sprach mit dem neuen Leiter des Arbeitsbereichs Allgemeine und Angewandte Sprachwissenschaft sowie Translationstechnologie (ASTT) über aktuelle Entwicklungen und seine Pläne für den Fachbereich.

Was versteht man unter Sprachwissenschaft?

Sprachwissenschaftler sind Leute, die sich – wie der Name schon sagt – wissenschaftlich mit Sprache beschäftigen. Zunächst allgemein: Was ist Sprache? Und dann speziell sprachbezogen: Was ist das Besondere an verschiedenen Sprachen wie zum Beispiel Englisch oder Deutsch? Wie sprechen wir, wie formulieren wir, wie bilden wir Sätze? Die Erkenntnisse aus diesen Untersuchungen werden anschließend systematisiert und klassifiziert und man versucht damit, das Phänomen Sprache besser verständlich zu machen. Ich vertrete dabei sowohl die Allgemeine als auch die Angewandte Sprachwissenschaft.

Sie stammen aus Miltenberg in Unterfranken, haben in Frankfurt, Saarbrücken, Moskau und Dublin studiert, in Saarbrücken und zuletzt in Flensburg gelehrt … wie sind Sie im vergleichsweise kleinen Germersheim gelandet?

Ich wurde am 26. März diesen Jahres hierher berufen. Das erste halbe Jahr bin ich von Germersheim nach Flensburg gependelt und insgesamt circa 48 Mal mit dem Zug durch ganz Deutschland gefahren, bevor ich im Oktober mit meiner Frau in die Pfalz gezogen bin. An der Ostsee habe ich mich sehr wohlgefühlt – wir haben in Glücksburg gewohnt, ich konnte auf der Förde segeln … Aber Germersheim als ehemals größte Ausbildungsstätte für Dolmetscher und Übersetzer weltweit war natürlich extrem reizvoll. Zwölf verschiedene Sprachen, die man in Germersheim aktiv erlernen kann, das gibt es nirgendwo sonst! Germersheim ist wirklich toll! Das Einzige, was meines Erachtens fehlt, ist der Anschluss an die aktuelle Entwicklung im Technologiebereich. Das muss sich unbedingt ändern. Wir müssen zusehen, dass wir Germersheim diesbezüglich so attraktiv machen, dass die Studenten trotz des angeblichen Standortnachteils hierherkommen.

Haben Sie da bereits konkrete Pläne?

Ich würde den Fachbereich gern technologisch so stärken, dass Germersheim wieder mitreden kann, was die Translations- und Sprachtechnologie angeht. Der Übersetzerstudiengang der Universität Leipzig ist zum Beispiel technologisch wesentlich besser ausgestattet, die Fachhochschulen Köln und Karlsruhe ebenfalls. Dafür brauchen wir eine Hard- und Softwareausstattung, die den modernen Übersetzerarbeitsplatz realistisch nachbildet. An diesem Projekt wird zurzeit mit Hochdruck gearbeitet. Es ist beabsichtigt respektive beantragt, dass wir im nächsten Jahr neue Computer, einen zusätzlichen Schulungsraum und die entsprechende Software beschaffen. Außerdem möchte ich hier so etwas wie ein „Kompetenzzentrum Translationstechnologie“ aufbauen. So etwas gibt es in Europa bisher noch nicht – und Germersheim wäre meines Erachtens der ideale Ort dafür.

Wie würde ein solches Kompetenzzentrum aussehen?

Als Kompetenzzentrum Translationstechnologie wäre Germersheim Ansprechpartner für Industrie, Sprachdienstleister und Hochschulen, eine Art Forum in diesem Bereich. Schließlich gibt es eine Sprachenindustrie – und nur dann, wenn wir mit ihr Kontakt halten, können wir wissen, welche Erwartungen an die Ausbildung gestellt werden.

Ist die Nachfrage nach Übersetzungsdienstleistungen tatsächlich so groß?

Es gibt eine Studie der EU von 2009, die zeigt, dass das Volumen an notwendigen Übersetzungen innerhalb der EU in den nächsten Jahren exponentiell steigen wird. Man kann selbstverständlich und auch gut vom Übersetzen leben! Aber man braucht eben gewisse Kernkompetenzen in verschiedenen Bereichen, und einer davon ist ganz klar der technologische.

Sie selbst waren über zehn Jahre lang am Saarbrücker Institut der Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Informationsforschung e.V. (IAI) tätig und haben dort unter anderem linguistische Software für namhafte Wirtschaftsunternehmen mitentwickelt. Was hat Sie dazu bewogen, die Arbeit in der Industrie gegen die Uni einzutauschen?
Entwicklungen in der Industrie sind immer vom Kunden abhängig – wenn der etwas nicht will, entwickelt sich das auch nicht weiter. Das ist an der Hochschule anders. Hier möchte ich die Studierenden auch in reale Forschungsprojekte miteinbinden – den Bezug zur Praxis finde ich extrem wichtig. Forschung angewandt zu sehen, ist etwas Tolles, und es ist keineswegs so, dass ich mich mit der Professur in Germersheim für die Uni und gegen die Sprachenindustrie entschieden habe. Nein, ich bin nach wie vor in beiden Welten zuhause und zum Beispiel nebenher immer noch als wissenschaftlicher Berater für das IAI tätig.

Wie werden Sie den Praxisbezug zur Lehre herstellen?

Ich möchte insbesondere sogenannte Projektseminare anbieten, in denen ich mich mit konkreten Forschungsfragen und Problemen aus dem Übersetzeralltag beschäftige. In meiner Zeit in Flensburg habe ich beispielsweise Übersetzungsaufträge aus dem wahren Leben in einer simulierten Übersetzungsfirma mit den Studenten bearbeitet: Einer ist Projektmanager, einer ist der Terminologiemanager, einer ist der Lektor und einer kommuniziert mit dem Auftraggeber, der in diesem Fall ich selbst bin. Und dann geht es los! So haben wir beispielsweise ein computertechnisches Manual für ein großes Softwareunternehmen aus Salt Lake City übersetzt, mit Live-Schaltung per Skype nach Utah. das ist extrem spannend und sehr lehrreich. Selbstverständlich darf man aber mit solchen Veranstaltungen nicht in Konkurrenz zum freien Markt treten.

Ist die Technologiekompetenz der „Generation Internet“ tatsächlich so gut, wie immer behauptet wird? Kann man damit arbeiten?

Es ist mitnichten so, dass die Generation Internet die Technikkompetenz automatisch mitbringt. Ich bemerke bei den Studierenden auch weniger Respekt vor Technologie, weil jeder überall alles einfach benutzt. Wenn ich zum Beispiel sehe, was Studenten machen, wenn irgendwo ein Stecker nicht hineinpasst … Unglaublich! Dem muss man definitiv entgegenwirken. Andererseits ist es aber auch notwendig, das teilweise an der Universität bei den Dozierenden vorhandene Misstrauen und die Zurückhaltung gegenüber Technik schrittweise abzubauen.

Alles in allem muss Germersheim sich also ranhalten, was die aktuelle Entwicklung angeht?

Eindeutig, ja. Die technologischen Kompetenzen, die man heutzutage braucht, um auf dem Übersetzermarkt erfolgreich zu sein, müssen in Germersheim intensiver vermittelt werden. Das hohe Ausbildungsniveau, das Germersheim bei den Sprachkompetenzen hat, muss auch für technologische Kompetenz gewährleistet sein. Germersheim hat immer noch einen sehr guten Ruf – aber man darf sich nicht zu sehr darauf ausruhen.

Autorin/Urheberrecht: Anna Kiefer

 

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Chinesisch studieren in Germersheim

Thema: Studium Chinesisch, Literaturübersetzen
Umfang: 3307 Zeichen
Geeignet für: Referenzartikel
Bisher erschienen in: Die Rheinpfalz, 2015

Der Arbeitsbereich Chinesisch der Universität Germersheim hat einen neuen Leiter: Professor Hans Peter Hoffmann ist vor rund einem Jahr von der Fu Jen Universität in Taipeh in die Südpfalz gewechselt und wird jetzt Nachfolger von Peter Kupfer, dessen Stelle lange Zeit unbesetzt blieb.

„Als ich hier angefangen habe, gab es nur zwei Chinesisch-Studierende“, erzählt der Sinologe, zu Deutsch: Chinawissenschaftler. „Erfreulicherweise hat sich diese Zahl seitdem verfünffacht. Eine Studentenzahl um die 20 wäre für unseren Arbeitsbereich optimal.“ Wer nach Germersheim kommt, um Chinesisch zu studieren, hat bereits einen Bachelor in Sinologie in der Tasche. Bei Hoffmann wird er oder sie dann gleich ins kalte Wasser geworfen: Für einen echten Verlag übertragen die angehenden Übersetzer Lyrik- und Prosawerke bekannter chinesischer Schriftsteller ins Deutsche, beispielsweise „Der Neujahrssegen“ von Lu Xun, dem Begründer der modernen chinesischen Literatur.

Hoffmann legt Wert darauf, dass die Studenten den gesamten Ablauf von der Übersetzung bis zur Überarbeitung und Veröffentlichung mitbekommen. „Wenn man weiß, man arbeitet für einen Verlag, arbeitet man gleich ganz anders. Man gibt sich automatisch mehr Mühe – und fühlt sich am Ende viel sicherer.“ Ein solches Projekt zu betreuen sei aber auch extrem zeitintensiv. Doch Hoffmann möchte seinen Studenten etwas mitgeben – und er lässt sie nicht allein. Stattdessen leitet er auch ganz praktisch an, wenn es darum geht, die eigene Übersetzung im Rahmen einer Lesung vorzustellen. Mit seinen Doktoranden besucht er regelmäßig Konzerte oder Theatervorstellungen, um ihnen einen Einblick in die deutsche Kultur zu ermöglichen. „An chinesischen Unis ist das durchaus üblich“, sagt Hoffmann. Er muss es wissen – schließlich hat er selbst in Tübingen, Taipeh und Peking studiert, gelehrt und übersetzt.

Wie der gebürtige Saarbrücker nach Schule und Wehrdienst zu Chinawissenschaften kam? Hoffmann lacht. „Ich kann besser beantworten, warum ich damit weitergemacht habe. Es ist die Vielfalt, die das Fach zu bieten hat.“ Ob man sich nun mit der Shang-Dynastie (im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung) oder mit aktuellen politischen Entwicklungen befasse, der Kulturraum sei „einfach riesig“, sagt Hoffmann.

Während seiner Tätigkeit als freiberuflicher Übersetzer habe er sich immer mehr in theoretische Hintergründe vertieft und sich deswegen letztlich für die Professur in Germersheim beworben: „Sprache ist unheimlich interessant! Es geht ja nicht nur um Formulierungen, sondern um ganze Einstellungen, Weltbilder, die sich darin widerspiegeln. Das ist das, was ich machen wollte.“ Wenn er mit leuchtenden Augen erzählt, wird klar: Der 58-jährige geht in seinem Beruf voll auf und ist noch immer fasziniert von dem Fachgebiet, mit dem er sich schon als junger Mann beschäftigt hat.

Germersheim gefalle ihm gut und er schätze besonders den unkomplizierten Austausch der Professoren unterschiedlichster Sprachen, sagt er. Mit seiner Frau, die ebenfalls Sinologin ist, wohnt er in Speyer. Und was vermisst er an Taiwan und Taipeh, der Weltstadt am Danshui-Fluss? „Die Atmosphäre“, so Hoffmann. „Das Leben dort ist nicht einfacher, aber man geht anders damit um. Und die große Freundlichkeit, die vieles einfacher macht.“

Autorin/Urheberrecht: Anna Kiefer

 

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Der Krux mit die Sprache

Thema: Schwierigkeiten und Kuriositäten der deutschen Sprache
Umfang: 3342 Zeichen
Geeignet für: Referenzartikel
Bereits erschienen in: Die Rheinpfalz, 2017

Vom Wirrwarr des Deutschen aus der Sicht Mark Twains bis zum Rindfleischetikettierungsüberwachungsgesetz. Eine Betrachtung.

Wer sich auf Reisen begibt, sieht sich immer auch mit fremden Sprachen konfrontiert. So erging es jedenfalls Mark Twain, der sich bereits 1880 über „Die schreckliche deutsche Sprache“ mokierte: „Es giebt gewiß keine andere Sprache auf der Welt, die so systemlos ist, so schlüpfrig und aalglatt, um sie zu fassen. Man treibt darin umher wie in einem brandenden Meer, bald hierhin, bald dorthin, in der elendesten Hilflosigkeit, und wenn man einmal glaubt, eine Regel gefunden zu haben, welche festen Grund bietet, um einen Augenblick in dem allgemeinen Wirrwarr und Tumult der zehn Redeteile auszuruhen, so vernimmt man in der Grammatik: `Der Schüler gebe acht auf folgende Ausnahmen.`“

Um den Deutschen und der Welt das Sprechen zu erleichtern, schlug er vor, den Dativ abzuschaffen und das Verb an den Satzanfang zu holen, das zu weit „von der Operationsbasis des Lesers entfernt ist.“ Hätte er gewusst, dass stattdessen auf den Genitiv verzichtet wird, hätte er sich vermutlich nicht minder gefreut: Immerhin nur noch drei Kasus statt vier, die es zu erlernen gilt. Nun sprechen mittlerweile auch Deutsche mangels Lektüre oft kein Deutsch mehr, sondern eine Mischung aus sprachlichen Weiterentwicklungen und einer Wortwahl, die jedes Sprachgefühl entbehrt: „Die Nation befindet sich in Schockstarre“ als Deutschland das EM-Halbfinale 2016 gegen Frankreich verliert und die ARD-Korrespondentin in Haltern am See wird nach dem Germanwings-Absturz von der Nachrichtensprecherin gefragt, wie denn die „Stimmung vor Ort“ sei.

Gleichzeitig brillieren Germersheimer Studentinnen mit sprachlichen Höchstleistungen: Meine russische Mitbewohnerin bringt das Wort „Rindfleischetikettierungsüberwachungsgesetz“ völlig fehlerfrei über die Lippen. Doch wie soll sie sich merken, wo der Unterschied zwischen einem „Baumstamm“ und einem „Stammbaum“ liegt? Dass alle, die hier leben, ausreichend Deutsch sprechen können müssen, steht außer Frage. Verständnis für Lernende darf man trotzdem haben:

Woher soll jemand aus Osteuropa wissen, dass sich Deutschen nicht logisch erschließt, dass „Ich Arzt“ „Ich bin Arzt“ bedeuten muss und dass man zwar „eine Million“ aber nicht „ein Hundert“ schreiben kann? Doch auch für Deutsche gibt es viel zu lernen:

Hätten Sie gewusst, dass es sich bei „Risiko“, „Soldat“ und Alarm“ um italienische Lehnwörter handelt? Dass das Deutsche maßgeblich von Romani, der Sprache der Sinti und Roma geprägt ist (z.B. bei „Kaff“ für „Dorf“ und „Null Bock“ für „keine Lust (bokh“)? Interessant ist auch, dass im Deutschen positive Vergrößerungsformen von Substantiven mit negativen „Vorwörtern“ ausgedrückt werden: „Mordshunger“ oder „Bombenerfolg“ werden Sprachlerner sicherlich irritieren. Wer noch eine Urlaubslektüre sucht und sich für Sprache interessiert, dem sei Mark Twains „Die schreckliche deutsche Sprache“ wärmstens empfohlen. Wer anderen Deutsch beibringt, wird sich nach dem Lesen dieses Buches über jeden richtigen Satz freuen und an Fehlern nicht länger verzweifeln. Und wer selbst über die ein oder andere amüsante Sprachanekdote schmunzeln musste, gleich ob auf Reisen oder im Alltag in der Südpfalz, der kann seine Geschichte gern dieser Zeitung zukommen lassen.

Autorin/Urheberin: Anna Kiefer

 

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Was können Übersetzungs-Apps leisten?

Thema: Übersetzer-Apps
Umfang: 4276 Zeichen
Geeignet für: Wochenzeitung, Zeitschrift, Website, Broschüre
Bereits erschienen in: neu

Übersetzungs-Apps können so einiges. Sie können korrekt formulierte Sätze aus dem Englischen ins Deutsche übertragen und umgekehrt. Sie können Geflüchteten in Deutschland helfen, sich bei Behördengängen notdürftig zu verständigen. Sie können deutschen Touristen im Ausland helfen, ein Bier in der Landessprache zu bestellen. Und sie können Übersetzer vor einer Sehnenscheidenentzündung bewahren, indem sie immer wiederkehrende Sätze in Bedienungsanleitungen vorübersetzen, die man sonst per Copy-Paste 50 Mal von Hand einfügen müsste. Übersetzungs-Apps können sogar bedingt für Unterhaltung sorgen, indem sie banale Alltagssätze in Schweinkram verwandeln, Aussagen ins Gegenteil verkehren oder völlig absurde Bilder erzeugen: Probieren Sie es aus!

Mit der Unterhaltung verhält es sich dabei ähnlich wie mit dem Fernsehprogramm: Oberflächlicher Klamauk ist jederzeit zu haben. Sobald es jedoch etwas mehr in die Tiefe gehen soll, schaut man sich besser gleich nach sinnvollen Alternativen um. Mit Übersetzungs-Apps ist es nämlich ein bisschen wie mit den Anhängern diverser Rechtspopulisten: Parolen, die man ihnen eingegeben hat, kommen auch wieder heraus – in mehr oder weniger passendem Kontext. Selbst denken, logische Schlussfolgerungen ziehen, Gedankengänge konsequent zu Ende führen und dabei das große Ganze im Blick behalten ist eben nicht ihr Ding. Ganz zu schweigen von Einfühlungsvermögen, Humor oder Ironie: Damit können sie einfach nichts anfangen.

Überall dort, wo man kreative Lösungen oder Sprachgefühl braucht, ist man mit menschlichen Übersetzern besser bedient. Menschliche Übersetzer behandeln ihre Kunden nicht wie Idioten – im Gegensatz zu künstlicher Intelligenz („Ich habe Sie leider nicht verstanden. Kennen Sie schon unsere Internetseite?“). Menschliche Übersetzer haben ein feines Gespür für Sprache und für zwischenmenschliche Beziehungen und können bei Reden, Literaturübersetzungen, Poesie oder Songtexten Worte finden, die vom Original weit entfernt sind und dennoch das passende Gefühl oder das gewünschte Bild erzeugen.

Menschliche Übersetzer können im Gegensatz zu künstlicher Intelligenz einordnen, ob ein doppelt, dreifach oder vierfach verneinter Satz eine positive oder negative Aussage darstellt. Menschliche Übersetzer haben gelernt, Partikeln wie „wohl kaum“ oder „nicht gerade“ passend zum Kontext zu interpretieren. Menschliche Übersetzer wissen, dass man bestimmte Verben nicht mit bestimmten Substantiven kombinieren kann (in ein Unternehmen investieren geht; Wäsche in die Waschmaschine investieren geht nicht). Menschliche Übersetzer finden Lösungen für Probleme, die es in der Zielsprache gar nicht gibt (für das schöne Wort Angehörige gibt es weder im Polnischen noch im Englischen eine adäquate Entsprechung).

Menschliche Übersetzer erkennen, wenn eine Anweisung missverständlich ist und können sie so umformulieren, dass sie eindeutig ist. Menschliche Übersetzer können Rücksprache mit dem Kunden halten und bei der Übersetzung Stil und Sprachverständnis der Zielgruppe berücksichtigen, damit der Text auch angenommen wird (Patienten sagen nicht „Ich hatte eine Cholezystektomie“ sondern „Mir wurde die Gallenblase rausgenommen“). Menschliche Übersetzer produzieren Texte, die nicht nur theoretisch richtig sind, sondern sich auch in der Praxis richtig anhören – Websites und Produktbeschreibungen, die „total falsch“ klingen, werden auch von Suchmaschinen gerne mal als unseriös eingestuft. Dafür muss man ihnen natürlich ein bisschen Zeit lassen – Kreativität und Inspiration vertragen sich nicht gut mit allzu kurzfristigen Deadlines. Menschliche Übersetzer sind im Gegensatz zur App in der Lage, Fehler im Ausgangstext zu erkennen und zu klären, was der Autor tatsächlich gemeint hat. Menschliche Übersetzer gehen mit sensiblen Daten respektvoll um und laden die firmeninterne Kommunikation ihrer Kunden nicht ins Internet hoch.

Egal, ob Mensch oder App: Entscheiden Sie sorgfältig, wem Sie Ihren Text anvertrauen. Überlegen Sie in aller Ruhe, was und wen Sie mit dem Text erreichen wollen. Seien Sie vorsichtig mit prophetischen Werbeversprechen („In wenigen Jahren wird …“). Und wenn Sie in der Mittagspause ein wenig Unterhaltung brauchen, schauen Sie mal nach, was Übersetzungs-Apps unter Kadaver-Workshops verstehen (Flyer, unten).

Autorin/Urheberin: Anna Kiefer

 

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Dolmetscher: Die einzig wahren Multitasker

Thema: Dolmetschen
Umfang: 7488 Zeichen
Geeignet für: Zeitung, Zeitschrift, Firmenzeitschrift, Website
Bisher veröffentlicht in: neu

„Reden Sie ruhig weiter. Ich höre Ihnen zu …“, ermuntert Benni den Personalchef. Der 18-Jährige sitzt mit gesenktem Kopf vor dem Schreibtisch. Während der Leiter der HR-Abteilung sich bemüht, das Unternehmen vorzustellen, scrollt der Schüler geistesabwesend auf seinem Samsung Galaxy S20+. Es ist das erste Mal, dass er eine Einladung zum Vorstellungsgespräch bekommen hat. Unverschämt? Respektlos? In Teamsitzungen großer Industrieunternehmen ist es längst üblich, dass mindestens die Hälfte der Mitarbeiter E-Mails checkt und Nachrichten beantwortet, während der Kollege vorne die neuesten Zahlen präsentiert – und das nicht heimlich und verschämt, sondern völlig offensichtlich. Eigentlich nicht minder respektlos als das Verhalten des 18-Jährigen. Die Message ist klar: Was du gerade erzählst, interessiert mich nicht.

Damit konfrontiert, hat der nette Kollege natürlich gleich eine plausible Erklärung parat: „Keine Sorge, ich habe alles gehört. Ich bin eben multitaskingfähig, das habe ich trainiert. Ich kann eben gleichzeitig zuhören und wichtige Mails beantworten.“ Wie weit es mit dieser Kompetenz her ist, zeigt sich spätestens am Tag nach der Sitzung, wenn – per E-Mail – Fragen gestellt werden, die im Meeting eindeutig geklärt wurden. Mangelndes Talent? Oder schlicht fehlende Reflexionsfähigkeit, gestörte Selbstwahrnehmung? Und irgendwas muss doch dran sein an diesem Multitasking! Kann man das nicht doch irgendwie lernen?

Man kann. Die Ausbildung dauert mindestens zwei Jahre, meist jedoch wesentlich länger. Sie verlangt viel Selbstdisziplin, Fleiß, Mut und Respekt. Die Lernenden müssen kritik- und konzentrationsfähig sein und eine sehr gute Allgemeinbildung mitbringen. Wer es schafft, gehört am Ende zu der Berufsgruppe, die Multitasking zu ihrer Profession gemacht hat: Dolmetscherinnen und Dolmetscher (engl. interpreter). Dolmetscher übertragen das gesprochene Wort – das heißt Reden, Nachrichten, Verhandlungen oder auch ein Arztgespräch – von einer Sprache in eine andere. Um diese enorme Leistung erbringen zu können, müssen sie in der Ausbildung üben, üben und nochmals üben, wie man „gleichzeitig“ („simultan“) oder zeitlich versetzt („konsekutiv“) hört und spricht.

Daniel Gile, Konferenzdolmetscher und Professor an der Sorbonne, hat ein Modell entwickelt, das aufzeigen soll, welche komplexen Prozesse beim Dolmetschen im Kopf ablaufen. Seine Theorie: …

Autorin/Urheberin: Anna Kiefer

 

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