„Will noch jemand ’ne Wurst?“

Thema: Politiker vor Ort
Umfang: 5508 Zeichen
Geeignet für: Referenzartikel
Bisher erschienen in: Die Rheinpfalz, 2016

Kurzreportage: Bundestagsabgeordneter Thomas Hitschler wirbt bei Bratwurst und Getränken um mehr Interesse am politischen Geschehen.

Rülzheim. Am Mittwochabend ist die Alla Hopp Anlage voll: Kinder turnen auf riesigen Steinen herum, Eltern picknicken in der Abendsonne. Auf der großen Wiese wird Fußball gespielt und in einer Ecke hinter dem Bewegungsparcours steht der Bundestagsabgeordnete Thomas Hitschler und grillt Würstchen. Was zunächst wie eine Privatveranstaltung aussieht, ist Teil seiner Sommertour: Unter dem Motto „Sommer, Bratwurst, Politik“ sind alle Bürger eingeladen, mit ihm über politische Themen zu diskutieren.

18.05 Uhr: Die Gruppe der Gäste ist überschaubar. Manche sind Mitglied der SPD, andere nicht. Einige nutzen den Bewegungsparcours, um sich vorsichtig anzupirschen, fahren erstmal eine Runde Pedalo und spähen durchs Gebüsch, bevor sie sich entscheiden, ein Würstchen zu nehmen. Hitschler wird zum Verkauf des Flughafens Hahn befragt, der gerade geplatzt ist. „Politik interessiert mich schon“, erklärt Ottmar S., der mit seiner Frau Angelika die Ausführungen des Politikers verfolgt. „Zum Beispiel die Rentenpolitik, die allerdings wirklich traurig ist.“ Seine Frau sorgt sich um die Zukunft ihrer Enkelkinder, die sie auf dem Pausenhof nicht mehr gut aufgehoben sieht. „Davon abgesehen muss man sagen, dass wir hier eigentlich in einer Idylle leben, wenn man das mal vergleicht“, so S.

18.20 Uhr: Tatsächlich ist die Rente das Thema, das als nächstes angesprochen wird. Hitschler erklärt die Stellschrauben, an denen man dabei drehen könne und erklärt die ursprüngliche Idee einer Bürgerversicherung. Er schlägt vor, Arbeit und Rente flexibler zu gestalten, sodass etwa Führungskräfte, die auch nach 65 noch weiterarbeiten möchten, ihr lang erarbeitetes Fachwissen einbringen können. Da kommt auch schon der erste Einwurf: „Nicht alle haben eine leitende Position!“ Jemand anderes pflichtet bei: „Man kann nicht alle Hühner zu Adlern machen.“ Die Diskussion nimmt Fahrt auf. Es werden viele Fragen gestellt – meist von älteren Herren, die einen Kreis um Hitschler gebildet haben. Seitengespräche entwickeln sich.

18.30 Uhr: Die Gruppe ist auf 13 Teilnehmer angewachsen. Zu den Männern haben sich drei Frauen hinzugesellt. Fritz K. von der SPD Rülzheim findet es gut, wenn sich ein Politiker bereits ein Jahr vor der Bundestagswahl mit den Fragen der Bürger auseinandersetzt. Für ihn ist nicht nachvollziehbar, warum bei der Erarbeitung des neuen Teilhabegesetzes in Berlin kein einziger Behindertenverband miteinbezogen wurde. Hitschler spricht derweil über den Bau der Rheinbrücke, der seit langem die Gemüter erhitzt. Auf einen Baubeginn will er sich nicht festlegen, betont jedoch, dass dem Bau im aktuellen Bundesverkehrswegeplan die höchste Dringlichkeitsstufe zugebilligt worden sei: „Je länger das Verfahren dauert, desto sorgfältiger kann das Ganze juristisch abgesichert werden. Wenn etwa die Einwände von Umweltverbänden aus Zeitgründen übergangen werden, wird vor Gericht alles abgelehnt und das Projekt zieht sich noch mehr in die Länge.“ Umweltschutz ist das Thema, für das sich Franz W. am meisten interessiert. Er ist zufällig mit dem Rad vorbeigekommen und hielt an, um die Diskussion zu verfolgen. W. vermisst die „Charakterköpfe von früher“ und erwartet von Politikern Zuverlässigkeit und klare Meinungsäußerungen statt leerer Floskeln. Hitschler ist ihm zu vage.

18.50 Uhr: „Will noch jemand `ne Wurst?“ Die Strategie ist aufgegangen: Echte Südpfälzer haben wenig Hemmungen, mit einem – wenn auch hochrangigen – Grillmeister zu sprechen. Hitschler hält dabei keinen Monolog, sondern geht konsequent auf alle Fragen ein, die ihm gestellt werden. Er erläutert Hintergründe verständlich, betreibt keinerlei Partei-Propaganda oder Selbstbeweihräucherung und schießt auch mal zurück: „Das sehen Sie jetzt aber sehr einseitig – Deutschland muss sich mit beiden, mit Amerika und mit Russland verstehen.“ Es geht um die Pläne der NATO, 4 000 Soldaten an der Grenze zu Russland zu stationieren. Als Mitglied im Verteidigungsausschuss ist er gegen eine Erhöhung des Rüstungsetats und setzt stattdessen auf Dialog: „Jede Minute, in der man sich unterhält, ist doch eine Minute, in der nicht geschossen wird!“ Die Stimmung ist gut, die Themen wechseln schnell.

19.15 Uhr: Der Gasgrill wird runtergefahren. 35 Würstchen und ebenso viele Brötchen wurden verzehrt, die Hitschler seiner Büroleiterin Corinne Herbst zufolge aus eigener Tasche finanziert hat. Die vier Gäste, die noch dazukommen, gehen leider leer aus, bleiben aber trotzdem. Langsam wird es kühl. Hitschler bedankt sich bei allen und platziert zum Ende doch noch einen einzigen Hinweis auf seine Partei: Dass nämlich nur eine sozialdemokratische Gesellschaft eine Zukunft haben könne. Letztlich sei es aber nicht wichtig, welche demokratische Partei man unterstütze, solange man sich einbringe und Veränderungen mitgestalte. „Was passiert, wenn man anderen das Feld überlässt und schweigt, hat dieses Land in seiner Vergangenheit mehrfach erfahren.“ Einige Anwesende nicken bestätigend. Sechzehn Gäste sind es nun, von denen zwei zur nächsten SPD-Sitzung kommen wollen, „mal anschauen“. Sie würden gern noch weiterreden, haben noch viele Fragen. Der Abend in Rülzheim war jedoch nicht die einzige Gelegenheit, sie zu stellen: Weitere Grillaktionen sind in Landau, Hagenbach, Annweiler, Schwegenheim, Wörth, Billigheim-Ingenheim und Klingenmünster geplant.

Autorin/Urheberrecht: Anna Kiefer

 

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