Chinesisch studieren in Germersheim

Thema: Studium Chinesisch, Literaturübersetzen
Umfang: 3307 Zeichen
Geeignet für: Referenzartikel
Bisher erschienen in: Die Rheinpfalz, 2015

Der Arbeitsbereich Chinesisch der Universität Germersheim hat einen neuen Leiter: Professor Hans Peter Hoffmann ist vor rund einem Jahr von der Fu Jen Universität in Taipeh in die Südpfalz gewechselt und wird jetzt Nachfolger von Peter Kupfer, dessen Stelle lange Zeit unbesetzt blieb.

„Als ich hier angefangen habe, gab es nur zwei Chinesisch-Studierende“, erzählt der Sinologe, zu Deutsch: Chinawissenschaftler. „Erfreulicherweise hat sich diese Zahl seitdem verfünffacht. Eine Studentenzahl um die 20 wäre für unseren Arbeitsbereich optimal.“ Wer nach Germersheim kommt, um Chinesisch zu studieren, hat bereits einen Bachelor in Sinologie in der Tasche. Bei Hoffmann wird er oder sie dann gleich ins kalte Wasser geworfen: Für einen echten Verlag übertragen die angehenden Übersetzer Lyrik- und Prosawerke bekannter chinesischer Schriftsteller ins Deutsche, beispielsweise „Der Neujahrssegen“ von Lu Xun, dem Begründer der modernen chinesischen Literatur.

Hoffmann legt Wert darauf, dass die Studenten den gesamten Ablauf von der Übersetzung bis zur Überarbeitung und Veröffentlichung mitbekommen. „Wenn man weiß, man arbeitet für einen Verlag, arbeitet man gleich ganz anders. Man gibt sich automatisch mehr Mühe – und fühlt sich am Ende viel sicherer.“ Ein solches Projekt zu betreuen sei aber auch extrem zeitintensiv. Doch Hoffmann möchte seinen Studenten etwas mitgeben – und er lässt sie nicht allein. Stattdessen leitet er auch ganz praktisch an, wenn es darum geht, die eigene Übersetzung im Rahmen einer Lesung vorzustellen. Mit seinen Doktoranden besucht er regelmäßig Konzerte oder Theatervorstellungen, um ihnen einen Einblick in die deutsche Kultur zu ermöglichen. „An chinesischen Unis ist das durchaus üblich“, sagt Hoffmann. Er muss es wissen – schließlich hat er selbst in Tübingen, Taipeh und Peking studiert, gelehrt und übersetzt.

Wie der gebürtige Saarbrücker nach Schule und Wehrdienst zu Chinawissenschaften kam? Hoffmann lacht. „Ich kann besser beantworten, warum ich damit weitergemacht habe. Es ist die Vielfalt, die das Fach zu bieten hat.“ Ob man sich nun mit der Shang-Dynastie (im zweiten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung) oder mit aktuellen politischen Entwicklungen befasse, der Kulturraum sei „einfach riesig“, sagt Hoffmann.

Während seiner Tätigkeit als freiberuflicher Übersetzer habe er sich immer mehr in theoretische Hintergründe vertieft und sich deswegen letztlich für die Professur in Germersheim beworben: „Sprache ist unheimlich interessant! Es geht ja nicht nur um Formulierungen, sondern um ganze Einstellungen, Weltbilder, die sich darin widerspiegeln. Das ist das, was ich machen wollte.“ Wenn er mit leuchtenden Augen erzählt, wird klar: Der 58-jährige geht in seinem Beruf voll auf und ist noch immer fasziniert von dem Fachgebiet, mit dem er sich schon als junger Mann beschäftigt hat.

Germersheim gefalle ihm gut und er schätze besonders den unkomplizierten Austausch der Professoren unterschiedlichster Sprachen, sagt er. Mit seiner Frau, die ebenfalls Sinologin ist, wohnt er in Speyer. Und was vermisst er an Taiwan und Taipeh, der Weltstadt am Danshui-Fluss? „Die Atmosphäre“, so Hoffmann. „Das Leben dort ist nicht einfacher, aber man geht anders damit um. Und die große Freundlichkeit, die vieles einfacher macht.“

Autorin/Urheberrecht: Anna Kiefer

 

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